Vier Freunde

Freunde fürs Leben...

...auch die vier Freunde blieben nicht ein Leben lang zusammen

Die Weingartengasse

Die besten Freunde findet man in der Kinderzeit im Idealfall schon in der Vorschulzeit. Diese Freundschaften halten dann ein Leben lang. So war es auch mit den Jugendfreundschaften, die in der Weingartengasse entstanden. In einem kleinen Stück Straße kaum 100m lang wohnten, spielten und lebten wir vier Jungs. Dieser kleiner Bereich in der Weingartengasse genügte, um uns zu einer verschworenen Gemeinschaft zu verbinden. Im weiteren Umfeld der Weingartengasse, Hauptstraße, Müllergasse entstanden noch viele Freundschaften. Doch der Zusammenhalt von uns Vierlingen hatte eine besondere Qualität. Und immer wieder genossen wir das Kopfsteinpflaster der holprigen Straße als Spielplatz und kümmerten uns nicht um die Schäden, die ein grausamer Krieg hinterlassen hatte. Der Poller Spielplatz war riesengroß!

                                                           Die Weingartengasse in den 1950er Jahren                                      Foto: Peter Berg

Kirche, Hochzeit, Kastanien

 

Der Weg

 

Oft führte uns der Weg von der Weingartengasse Richtung Kirchplatz, man mag es heute kaum glauben, auf dem kurzen Stück Fußweg zum Kirchplatz kamen wir an über 10 Geschäften oder Handwerksbetrieben vorbei - also eine kleine Einkaufzone. Auf einer Länge von knapp 200 m ein lebendiges Dorf. Auf dem Kirchplatz standen fünf mächtige Kastanienbäume, sobald die Kastanien reif waren, sahen die schwer behangenen  Bäume ungemütlichen Zeiten entgegen. Mit Stöcken bewaffnet warfen wir die reifen Kastanien von den Bäumen. Es war eigentlich für mich eine sinnlose Freizeitgestaltung, denn mit den erbeuteten  Kastanien konnten ich wenig anfangen. Sie lagen oft wochenlang in der Wohnung herum, bis sie irgendwann weggeworfen wurden

 

Trauung

Aber viel interessanter war für uns Lausbuben die Kirche St. Josef. Immer wieder fanden in der Kirche Trauungen statt, die wir uns nicht entgehen lassen durften. Warum die Leute heirateten und von Tradition hatten wir keine Ahnung, aber so jung wir waren, die Abläufe, die dann folgten, kannten wir genau.

Wir wussten sofort,  sammelten sich langsam Leute vor der Kirche, dass in der Kirche zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts den Bund fürs Leben wagen wollten. Die Wartezeit vor der verschlossenen Kirchentür kam uns immer wie eine Ewigkeit vor. Öffnete sich endlich die Kirchentür, hatten zwei von uns "Pänz" die Aufgabe, dem frisch vermähltem Brautpaar den Weg mit einer quergespanten Leine zu versperren. Die aufgabelosen "Pänz" warteten immer noch, aber unser Kennerblick auf die Rocktasche des Bräutigams verriet uns, ob die Tasche mit Inhalt gefüllt ist.

 

Alter Brauch

Es war ein alter Brauch, dass der Bräutigam Kleingeld sammelte und nach der Trauung in hohem Bogen auf die Kinder verteilte. An das Gerangel, dass nun stattfand kann ich mich noch gut erinnern. Wer sich nicht schon vorher einen optimalen "Geldsammelplatz" gesichert hatte, der ging leer aus. Nur die zwei Leinenspanner brauchten sich nicht mit uns um die geworfenen Geldmünzen zu streiten, sie bekamen einen Betrag vom Bräutigam in unbekannten Höhe übergeben.

Immer wieder kamen wir an die Kirche um etwas Geld zu schnappen. Nur einmal wurden wir bitter enttäuscht. Als das frisch vermählte Ehepaar kein Kleingeld gesammelt hatte und wir auf eine Geldbescherung verzichten mussten. Der Ehemann hatte eine rettende Idee, er behalf sich, indem er aus seiner Tasche eine 5.- DM - Münze "Eiermann" kramte und den vor ihm warteten Jugendlichen zuwarf. Wie so oft im Leben, war dann einer zufrieden, die anderen haderten mit ihrem Schicksal.

Es war nur eine kurze Zeitspanne um die Jahre 1952 bis 1954, wo wir ein so sorgenfreies Leben genießen konnten. Wir vier Freunde aus der Weingartengasse kamen 1954 bzw. 1955 in die Schule, von da an kamen wir nicht mehr so oft am Kirchplatz vorbei. Wir hatten ja jetzt schon Pflichten.

Von der einstigen Pracht der fünf Kastanienbäumen ist leider nur noch ein kümmerlicher Rest von zwei Bäumen übriggeblieben.                                     Foto: Dr. Walter Plett

Das Brautpaar ist gut vorbereitet und hat Wurfmaterial gesammelt                                               Foto: Helga Freyer

Auf dem Bild ganz rechts begleite ich das Brautpaar auf dem Heimweg. Direkt hinter mir folgt Betty Stern, sie wohnte im Haus meiner Großeltern. Ganz links der Blondschopf mein Freund Wilfried. Rechts davon der kleine Heinz Schlömer jun.                                Foto: Käthe Becker

Meine Mutter und meine Großmutter sind auch mit dabei.                                                                 Foto: Käthe Becker


Anmerkung:

Erstes Hochzeitsfoto: Sophia Tönnes und Fritz Klassmann heiraten am 30.08.1957. Helga Freyer, die selbst auf dem Foto abgebildet ist, hat einer Veröffentlichung zugestimmt.

Hochzeitsfoto 2 und 3: Käthe Sonntag und Rudolf Becker heiraten am 27.08.1954. Da ich auf beiden Bildern als kleiner Bub abgebildet bin, hat mir Käthe Becker erlaubt die Bilder zu veröffentlichen.

Foto Kirchplatz: Zunächst war mir unklar wieviel Kastanienbäume tatsächlich auf dem Kirchplatz gestanden haben. Aber der Zeitzeuge Willi Michels - der fast 90 Jahre alt ist - konnte mir genau aufzeigen, wo die fünf Kastanienbäume gestanden haben.

Die vier Freunde

Konny Balla

 

 

Wilfried Konrad

 

 

Toni Fähling

 

 

 

Heinz Richmann 

Mit 15 Jahren direkt nach der Schulzeit verließ er 1962 Poll. 1972 habe in ihn ein  letztes  mal gesehen. Er starb 2015.

 

Auch er verließ Poll und zog später nach Münster. 2015 besuchten neue Freunde Wilfried in Münster, er starb kurze Zeit später.

 

1960 zog er nach Mauenheim. Dort haben wir ihn öfters besucht. Irgendwann brach der Kontakt ab. 2016 fanden wir wieder zusammen. Im März 2021 brach der Kontakt wieder ab. Ich hoffe sehr, dass er noch lebt.

 

Lebt immer noch in Poll und vermisst seine Freunde


Liste der Geschäfte...

...die sich in den 1950er Jahren zwischen Weingartengasse und Kirchplatz befanden

Hauptstraße

Nr. 2

Nr. 14

Nr. 16

Nr. 21

Nr. 22

Nr. 22a

Nr. 23a

Nr. 24

Nr. 27

Nr. 31a

Lebensmittel Mandt

Bäckerei Kraus

Johann Stern Kohle, Koks, Briketts

Glaserei Alois Gerhards Handwerksbetrieb

Lebensmittel Neyer bzw. Marx

Lebensmittelgeschäft Konsum

Metzgerei Latz

Bestattungen Sonntag

Bauunternehmung Hersel

Möbel Fischer


Nicht zu vergessen:

 

Kirchplatz Nr. 2 Möbel Plett, in der Weingartegasse Nr. 33 Bäckerei Breuer, Weingartengasse 46 Johann Wilberg & Söhne Dachdecker und Bauklempnerei und später auf der Hauptstraße Nr. 1 Kamelle Köbes später Kamelle  Änn

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